Wir sind aktionsfähig

Über RTL hat sich Bundeskanzlerin Merkel unter anderem zu der Notwenigkeit von umfassenden Überwachungsmaßnahmen des Internet geäußert. Diese seien nicht ausreichend, und müssten ausgebaut werden.

“Wir sind darauf angewiesen, dass wir selber aktionsfähig werden und nicht bedingungslos Terroristen ausgeliefert sind. Und die Kommunikation findet eben heute im Internet statt.” (Merkel)

Sie stimmt da Innenminister Friedrich zu und unterstützt seine Forderung nach einem personellem und technischem Ausbau der Geheimdienste zum Ausspähen für die nächsten Jahre.

Ich sage hingegen das ist Bullshit. Wir haben seit Jahrzehnten einen Staatsapparat der bereits massiv überwacht und in Bürgerrechtsverhinderung keinen Deut besser ist als Terrorstaaten, deshalb fordere ich mehr Aktionen gegen eine repressive Staatsdiktatur.

Massenweise Grundrechtsverletzungen

“Grundrechte sind wesentliche Rechte, die Mitgliedern der Gesellschaft gegenüber Staaten als beständig, dauerhaft und einklagbar garantiert werden. In erster Linie sind sie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat[…]” Wikipedia

Das z. B. im Grundgesetz § 10 Abs 1 verbriefte Recht auf die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnis, sowie des Post- und Fernmeldegeheimnis, wird seit Bestehen der Bundesrepublik, auch schon vor der Widervereinigung, mehrfach ausgehöhlt und sogar außer Kraft gesetzt.

Seit Adenauer wurden und werden in Deutschland Menschen abgehört, ausgehorcht und überwacht. Die Zahl der mitgeschnittenen Telefonate ist stetig steigend. Briefe wurden bis zum massiven Versand von E-Mails tausendfach geöffnet (auch jetzt immer noch), Pakete untersucht, und das zum Teil nur aufgrund ihres Aussehens und der Herkunft des Absenders. Es wurde vermehrt auf die präventive Überwachung gesetzt, statt nur noch auf konkreten Verdacht. Der Generalverdacht wurde alltäglich und hat sich beständig in die Arbeit und Forderungen der staatlichen Stellen eingebrannt.

Die Durchführung dieser Maßnahmen war mal auf streng begrenzte Ausnahmen eingeschränkt, die ausführlich begründet und dokumentiert werden mussten. Inzwischen sind sie zum automatischen Standard verkommen. Es kann sogar schon davon gesprochen werden, dass eine Nicht-Überwachung abnormal ist.

Mehrfach und von verschiedensten Personen und Gruppen wurde die Steigerung der Überwachung und Abhöraktionen als bedenklich und sogar gefährlich für die Demokratie bezeichnet. Dabei gibt es kein schwarz oder weiß, keine Unterscheidung zwischen erheblichen Straftaten und kleinen Vergehen mehr. Abgehört wird der Fahrraddieb genau so, wie der Inhaber eines Im- und Exportgeschäft.

Von diesen Kontrollmaßnahmen ist jeder zu jeder Zeit betroffen. Durch reinen Zufall weil jemand mal wen auf einem Platz getroffen hat, in der selben Funkzelle zur gleichen Zeit telefonierte, in der gleichen Straße wohnt oder einfach nur ähnlich heißt. Einen Schutz gegen die Überwachung hat niemand, und nach den Maßnahmen gibt es keine Pflicht der Behörden darauf hinzuweisen, dass eine Überwachungsmassnahme durchgeführt wurde.

Kommunikation im Internet ist jedoch das Terrain, das scheinbar noch nicht ausreichend genug von deutschen Behörden kontrolliert wird. Durch die Entwicklung des Internet und seiner inzwischen zentralen Rolle in unserem Kommunikationsverhalten liegt es vermeintlich nah, die bestehende Überwachung auszudehnen. Alles soll im Internet protokolliert und analysiert werden, mehr noch wie bereits im bisherigen analogen Leben.

Die Bestrebung weg von einer Vorratsdatenspeicherung zu einer Aktiv-Ist-Zeit-Kontrolle wie in China oder in den USA, das ist das klare Ziel der deutschen Politiker von CDU / CSU, SPD, Grüne und FDP. Die totale Überwachung aller Kommunikationswege soll geschaffen werden, ohne Möglichkeit ihr zu entgehen, oder überhaupt davon Kentniss zu erlangen.

Wenn die Kanzlerin davon spricht, dass der Bürger transparent wissen müsse was mit seinen Daten geschieht. dann meint sie mitnichten die Auskunftspflicht. Diese fällt dann unter die Pflicht der “notwendigen” Geheimhaltung. Sie meint vielmehr, dass es wohl reicht transparent zu erklären wer überwachen darf, und wer diese Daten auswertet, also die rechtliche Grundlage. Liebe Dame, das reicht nicht, das ist der Weg in einen Willkürstaat, der sich auf pseudorechtliche Grundlagen beruft. Oder zu Deutsch – die endgültige Grundlage für einen Überwachungsstaat, wo selbst der Überwacher geheim bleibt.

Terrorstaaten, wie wir einer sind

“die systematische […] Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, […] zur Erreichung politischer, wirtschaftlicher oder religiöser Ziele nennt man Terrorismus.” Wikipedia

Die einzigen, die gerade machtlos einem “Terror” gegenüber stehen, dass sind wir, die Bürger Deutschlands, die durch den Staat terrorisiert werden. Wir sind diejenigen, denen die Bürger- und Menschenrechte in diesem Land errosionsartig und kontinuierlich entzogen werden. Unsere Rechte dem Staat gegenüber uns zu schützen werden massivst minimiert, auf ein gerade noch nötiges Minimum.

Die Freiheit, unerkannt über Straßen und Wege zu gehen, wird durch Kameras eingeengt. Mobile Endgeräte wie Smartphone und Tablet lassen nicht nur in Stadtgebieten genaue Bewegungsprofile zu. Die Recherche und Kommunikation im Internet wird unbemerkt von staatlichen Stellen durchsiebt, nach auffälligen Verhaltensmustern, die nicht dem errechneten Standard entsprechen. Die Reise ins Ausland wird an verschiedenste Nachbarstaaten übermittelt, die Finanzämter haben einen Standzugriff auf die Konten bei allen Banken, die Bundesämter für Arbeit und Soziales haben eine überaus großen Bedarf an zu viel Informationen zu persönlichen Lebensumständen.

Öffentliche Plätze, Straßen und Gebäude werden durch die Staatsmacht geräumt, eingekesselt, oder durch Verhängung von Platzverweisen Menschen von ihrem Demonstrationsrecht behindert. Nicht nur aufgrund eines Besuchs von Staatsgästen, auch bei Großdemonstrationen. Menschen werden einerseits durch fragwürdige Gerichtsprozesse in Gefangenschaft behalten, oder aufgrund ihrer Tätigkeit im Namen des Staates als verdeckter Ermittler, erst gar nicht zur Rechenschaft gezogen.

Das sind alles Fälle aus Deutschland, einem freien, dem Grundgesetz und der Demokratie verpflichteten Land. Das sind schwerste Einschnitte durch ein System, das in nichts mehr einem totalitärem Staat entgegensteht. Das ist ein Staat der Angst hat, nicht vor einem Terror von außen, sondern im Inneren. Das, was er einem Terrorstaat zuschreibt, und doch selber macht. Die Angst vor dem Kontrollverlust, der aber schon längst da ist, wo ein Nachrichtendienst vertuscht und shreddert was das Zeug hält.

Aktion nicht Aktionismus, Innovation statt Revolution

„Ändere die Welt; sie braucht es.“ Bertolt Brecht 1930

Merkel beschreibt die derzeitigen staatlichen Instrumente gegen den von ihr definierten Terror für nicht Aktionsfähig. Und das obwohl sie seit Jahren sagt, das BKA würde durch seine Arbeit und die gewonnen Erkenntnisse, sowie zusätzliche Ermittlungen für die frühzeitige Vereitelung von möglichen Anschlägen Sorge tragen. Wenn ich mir die letzten Jahrzehnte ansehe, muss das ob der postulierten allgegenwärtigen Gefahr sehr effektiv sein.

Hier also jetzt wieder einmal übereifernden Aktionismus an den Tag legen zu wollen, einen scheinbar doch funktionierenden Apparat erheblich ausbauen zu wollen, diese Logik erschließt sich mir nicht. Selbst dann nicht, wenn die Ausweitung für die Mittel zum Aushorchen des Internet gedacht sein sollen, das haben wir immerhin schon ein paar Jahrzehnte. Nein, dieser Aktionisums ist nur Populismus, nichts anderes. Populismus der von einer Angst vor Veränderung, vor Machtverlust schützen soll.

Was wir dringend brauchen sind Aktionen, die genau diese Fehldenke in der Machtdenke von den bereits oben genannten Parteien klar und deutlich aufzeigt. Es reicht nicht mehr aus Petitionen die belächelt werden anzuklicken, oder mal ein paar Abgeordnete anzumailen. Immer mehr verkommen Parlamentarier dazu, trotz freiem und unabhängigem Gewissen, den Trott Entscheidungen einer Parteilinie treu zu bleiben. Daher:

  • Es muss Aktionen geben, die Aktiv erklären, warum der Abbau von Bürger- und Menschenrechten niemandem von Vorteil ist. Auch und gerade denen, die meinen nichts zu verbergen zu haben.
  • Es muss Aktionen parallel zum Internet geben, denn dort werden Versammlungen wirklich gesehen und erst dann medial beachtet. Noch jedenfalls.
  • Es muss ein Ruck durch die Menschen gehen, aufzustehen, rauszugehen und “Arsch in der Hose” zu zeigen!

Wir brauchen in Deutschland keine Revolution, schon gar keine mit Gewalt. Davor hat Mensch an sich zu viel Angst, um eigenes Leben und Wohl. Was wir aber brauchen sind Menschen die da draußen trotzdem sind, die zeigen das es mit vielen Dingen nicht klappt. Die auf der Straße auch mal laut sind, für Aufmerksamkeit sorgen und auf Missstände hinweisen. Ansprechpartner sind und erklären können das wir keine Sackgasse als Staat wollen.

“Hey Leute, es ist schönes Wetter. Wollt ihr nicht vor dem Sonnenbad im Garten und Schwimmen im Teich noch mal kurz was Gutes machen?” Sucht in eurer Stadt einen oder mehrere zentrale Punkte, den jeder kennt. Einen Tag in der Woche, nehmen wir als Beispiel den Mittwoch, immer ab 16:00 Uhr treffen sich Menschen dort, mit Ihren Decken, Stühlen, Luftmatratzen und bleiben für ein zwei Stunden da. Unterhalten sich, tauschen sich aus, Lesen aus dem Grundgesetz, dem Grundrechtereport, der Lieblingszeitung oder dem Internet vor.

Und das jede Woche. Klar werden jetzt einige sagen, Sit-In auf einem öffentlichem Platz, vermutlich nur bei schönem Wetter. Na und? Deutschland geht nicht gerne auf die Straße, schon gar nicht bei schlechtem Wetter. Aber stellt euch vor, überall in jeder Stadt treffen sich nur 10 bis 20 Personen, jede Woche. Und danach trifft man sich anschließend beim See, im Schwimmbad und diskutiert weiter. Andere bekommen das mit, und treffen sich mit euch in der nächsten Woche. Es werden mehr…

Lasst uns das Sommerloch nutzen und füllen. Mit sinnvollen Nachrichten und keinem aufgespültem Boulevard. Mit Nachrichten über eine Bevölkerung, die sich Gedanken macht und real zeigt, dass sie mit dem Jetzt nicht zufrieden ist, zufrieden sein kann.

Wenn uns etwas an diesem Land und unserer Freiheit liegt, dann muss das sichtbar sein. Eigentlich dauernd, nicht nur Mittwochs. Aber lasst uns heute erst einmal damit anfangen, spontan, vor einem schönen Abend.

#mittwoch

1 Response