Interview – Die gefühlte Sicherheit

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Überwachung bringt mehr Sicherheit. Oder doch nicht? print hat den Landesvorsitzenden der Piratenpartei Niedersachsen getroffen um der Frage auf den Grund zu gehen. Christian Koch über die neue Regierung, Überwachungskameras und seine Meinung zum Thema Freiheitsrechte.

print: Herr Koch, was sagen Sie zur neuen schwarz-gelben Regierung?

Christian Koch: Erstmal freue ich mich natürlich, dass die Piraten zwei Prozent erreicht haben! Und was die neue Regierung angeht: politisch werden da schwere Zeiten auf uns zu kommen. Gerade was Bürger- und Freiheitsrechte angeht. Es kann keine Verbesserung geben. Wirtschaftlich wird es, denke ich, auf keinen Fall schlechter werden.

print: In Ihrem Parteiprogramm spielen Freiheitsrechte ja eine große Rolle. Was nützen ihrer Meinung nach Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen?

Christian Koch: Rein theoretisch sollen sie ja beschützen – tun sie aber nicht. Sie bringen keine Prävention, sie schrecken nicht ab und jemand der etwas Kriminelles vorhat, dem ist egal, ob er dabei gefilmt wird. Insbesondere Terroristen kann die Polizei so nicht abschrecken.

print: Ist denn die Rundumüberwachung in der Öffentlichkeit illegal?

Christian Koch: Nein, aber es geht um die informationelle Selbstbestimmung. Kameras sind installiert und zeichnen alles auf. Es wird aber nicht darauf hingewiesen, dass sie filmen. Das Bundesdatenschutzgesetz schreibt vor, dass es Hinweise geben muss, wenn der Bürger einen überwachten Bereich betritt. Niemand weiß, was mit seinen Daten passiert. Die Sicherheit, die durch ständige Überwachung suggeriert wird, ist lediglich eine gefühlte Sicherheit.

print: Warum nur gefühlt?

Christian Koch: Nun ja, viele denken, dass jemand bei Vorfällen direkt eingreift. Das ist aber nicht so. Dann weiß niemand, welche Kamera in Betrieb ist und wer die Daten überwacht. Die Aufnahmen werden nicht sofort, sondern erst bei der Aufklärung von Straftaten gesichtet.

print: Und wie lange werden die Aufnahmen gespeichert?

Christian Koch: Die Polizei muss sich an Datenschutzrechte halten. Innerhalb von etwa drei, vier Tagen werden die Bilder wieder überschrieben. Es sei denn, sie dienen zur Ermittlung von Straftätern. In Geschäften ist es fragwürdig, ob Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.

print: Wie viele Kameras gibt es denn in Hannover?

Christian Koch: Hier gibt es ca. 60, 70 Kameras an öffentlichen Plätzen. Zum Beispiel am Kröpcke, am Steintor, am Opernplatz und an vielen anderen Plätzen oder Verkehrsknotenpunkten. Die meisten sind an Orten, die kein Gefahrenpotenzial haben und sind somit überflüssig.

print: Wie könnte man Einschränkungen schaffen?

Christian Koch: Es gibt durchaus gesetzliche Grundlagen, die vorschreiben die Kameras kenntlich zu machen. Viele Hannoveraner wissen nicht, dass sie ständig gefilmt werden. Die meisten Kameras sind fast unsichtbar. Besser ist aber, die Kameras komplett abzuschaffen. Und das fordern wir auch. An den meisten überwachten Plätzen gibt es keine potenziellen Gefahren. Nehmen wir den Opernplatz: Dort gibt es seit Anfang des Jahres eine Kamera. Wozu? Es ist ein netter Platz um sich auszuruhen, sich zu entspannen und es gibt keinerlei Grund dort Aufnahmen von Passanten zu machen.

print: Und was kann der Einzelne gegen die ständige Überwachung unternehmen?

Christian Koch: Das einfachste wäre, Plätze zu meiden an denen Kameras hängen. Aber wer will das schon. Sinniger sind da Petitionen. Einfach dem Ministerium schreibe: „Wir wollen keine Kameras, sie machen hier an diesem Platz keinen Sinn.“ Oder man unterstützt eben uns, die Piratenpartei oder andere Organisationen. Da gibt es viele Möglichkeiten zu sagen „Wir wollen keine Überwachung!“

von Jenifer Becker und Sarah Geißler