Themenkopf – Kopfthemen – Kopflos

Die Wahlen in Niedersachsen sind vorbei, die Piraten sind mit 2 % nicht in den Landtag eingezogen. Mögliche Gründe, allerlei Mutmaßungen, wilde Verschwörungstheorien, sachliche Analysen und einiges an Blog- und Presseartikeln ist seit dem Wahlsonntag veröffentlicht worden. Ergebnis: Die Piraten sind immer noch nicht im Landtag und der goldene Pfad der wegweisenden Erkenntnis wird nach wie vor gesucht.
Darüber will ich hier aber gar nicht bloggen, das mache ich mit etwas mehr Abstand zum letzten Sonntag, der als Auftakt für ein erneutes “Superwahljahr” gegolten hat. Nein, in diesem Blog geht es um die “Problematik” Themen vs. Köpfe.
Dabei geht es erneut um ein weiteres Henne-Ei-Problem der Piraten: was war zuerst da, Themen oder Köpfe?
Themenkopf
Seit Ihrer Gründung 2006 haben die Piraten die thematische Arbeit in den Vordergrund gestellt. Das Erarbeiten und breite Diskutieren von Visionen, für eine Gesellschaft, die mit den technologischen Vorzügen verbessert werden kann, das war die Vorgehensweise.
Die grund- und wahlprogrammatischen Anträge wurden und werden auf Parteitagen beschlossen und sind somit als Konsens und richtungsweisend für unsere politischen Aussagen zu sehen. Das, was auf den Parteitagen die Mehrheit erhält, das ist die offizielle politische Aussage, das sind unsere Ideen und Visionen, die wir gemeinsam umsetzen wollen.
Wenn jemand von extern (oder auch von den Mitgliedern) wissen wollte, wie die Piraten zu Thema X stehen, dann konnte das entsprechend schwarz auf weiß nachgelesen werden. Grenzfälle konnten mit Fingerspitzengefühl hergeleitet oder auf Diskussionsstände verwiesen werden und alles andere war “No Comment, dazu haben wir noch keine Meinung”. Keine Basisabstimmung zu einem Thema bedeutet kein Konsens, keine Meinung.
Die beschlossenen Themen wurden von einzelnen Köpfen vorgetragen, genau so wie Fragen zu Inhalten, auf Grundlage der Entscheidung einer Mehrzahl von Mitgliedern, von einzelnen beantwortet wurden.
Eingebracht wurden Themen nicht nur, aber auch von Piraten in “exponierterer” Position, z. B. in einem Vorstandsamt. Allerdings nicht indem eine scheinbar fertige Position (der Presse) vorgestellt wurde. Vielmehr hat auch dieses Mitglied seine Ansicht ganz normal in den Diskussionsprozeß eingebracht, als Pirat unter vielen.
Kopfthema
Das soll sich nun laut BuBernd Schlömer ändern. Der Vorstand der Piraten soll nicht mehr rein verwaltend tätig sein, sondern wie bei anderen Parteien auch, eine politische Führungsrolle übernehmen. Es wird also das bisherige Vorgehen bei der Themen- und Meinungsfindung (positiv ausgedrückt) ergänzt.
Negativ gesagt: Der Vorstand sagt ab sofort wo es politisch hingehen soll, über das bereits Beschlossene hinaus. Der Rest der Partei muss halt zusehen, wie dann zu dieser vorgesetzten Meinung hingearbeitet wird.
In meinen Augen ist das ein No-Go für die Arbeit eines Vorstandes bei den Piraten, und ein noch Größeres, was die Umkehr des Bottom-Up Prinzips angeht. Jetzt wird erst geschossen, dann gefragt.
Ich traue durchaus dem einen oder anderen Piraten im Vorstand zu, dass er das mit einem gewissen Fingerspitzengefühl auch machen könnte.
Anregen, anstoßen, ausdiskutieren
Allerdings sagt mir meine bisherige Erfahrung, das wird schief gehen.
Es ist lange her, dass sich ein Mitglied des Vorstandes mal nicht über die Presse mit der Basis unterhalten hat. Es ist lange her, dass eine Mitglied des Vorstandes einen programmatischen Antrag in die Partei eingebracht hat. Ja, Bürokratie ist zeitraubend, I know. Deshalb bin ich auch kein Vorstand mehr.
Allerdings bleibt noch eine wesentliche Sache mehr auf der Strecke: Die zu erledigende Arbeit. Projekte werden aufgenommen, ein bisschen dran gearbeitet, und dann wieder in die Vergessenheit zurück fallen gelassen. Konsequente und kontinuierliche Arbeit in vielen Punkten Fehlanzeige.
Kopflos
… sind wir dennoch nicht. Es spricht nichts dagegen, auch schillernde, extreme und extrovertierte Personen im Vorstand zu haben. Nur bitte nicht “erst ich, dann ihr” oder “Kopf durch die Wand” Typen, wenn es um die politische Ausrichtung der Piraten geht.
Unsere Ausrichtung ist sehr konkret, in einigen Punkten sogar detailreich. Wenn ihr das nicht seht, sorry, aber dann solltet ihr noch einmal die Programme lesen. Zu den anderen Dingen, die ihr da nicht findet, “kein Kommentar”, aber mitdiskutieren. Mit-Diskutieren heißt mit allen Piraten, also denen, die eine Position überhaupt unterstützen könnten.
Wer meint, sein Vorstandsamt nutzen zu müssen um Themen durchzusetzen, der hat in meinen Augen versagt.