schulterzuckende Gesellschaft

Es erinnert mich an einen Schluckauf. Dieses Gefühl in der Magengegend, die Ankündigung der gleich kommenden Bewegung im Zwerchfell. Dieses Zucken zum Takt einer unbekannten Musik immer und immer wieder. Kein Mittelchen hilft dagegen, keine Ablenkung, kein Wasser im Kopfstand trinken, nichts. Manchmal ist er schmerzlich, aber ich bin immer froh das es irgendwann vorbei ist und dann doch gar nicht so schlimm war.
So ähnlich muss es auch unserer Regierung gehen. Da wird eine “mediale Sau” durchs Dorf getrieben, ein Thema, dass den Bürger bewegt, ihm Schmerzen zufügt. Aber das geht vorbei, wir leben in einer schnelllebigen Zeit, das dauert nicht lange. Proteste gehen auch wieder vorbei, ACTA, Stuttgart 21, PRISM, Hartz IV, Atomkraft, Neuland, Pferdefleisch, Drohnen, Syrien, Demonstrationen in der Türkei. Alles kurze Schluckaufe in der Bevölkerung, eine Unstimmigkeit in den Räumlichkeiten der Parlamente, ein kleines bisschen Unwohlsein bis es vorbei ist. Und dann weiter wie gehabt.
Wir sind eine kranke Gesellschaft
Wir leben in Zeiten wo das Schulterzucken zum Standard geworden ist. “Oh ja, das ist schlimm. Lasst uns was dagegen machen.” um nur kurz danach fest zu stellen, dass nichts unternommen wurde. Reden auf Demonstrationen, Artikel in den Zeitungen und Berichte im Fernsehen versorgen das Thema kurz mit Aufmerksamkeit. Bis es schnell langweilig wird oder eine neue Sau kommt, die vorangetrieben werden muss.
Diese Gleichgültigkeit uns und unserer Gesellschaft gegenüber ist eine Krux. Auf der einen Seite wollen wir Veränderung, wenn sie denn schnell erfolgt. Auf der anderen haben wir aber gar keine Lust daran, an Dingen dran zu bleiben, uns auf sie zu konzentrieren. Wir haben ADHS und Alzheimer zusammen, wissen es, tun aber nichts dagegen. Wir lassen uns davontreiben ohne zu versuchen anzuhalten.
Es ist kein Vorantreiben, das uns voran bringt, sondern ein Wegreißen im schnellen Strom, ohne Steuer und auf einen Wasserfall zu. Einen Wasserfall aus Skandalen, politischen Fehlentscheidungen und Machtspielen, der uns mit hinabreißt und am Grund mit der Strömung nach unten zieht. Kein Weg führt zurück, kein Luftholen ist möglich. Dabei sind wir nur als Passagier im Boot, nicht einmal als Crew. Wir sind zwar Bürger in Deutschland, aber schon lange nicht mehr auf der Brücke um die Fahrtrichtung zu bestimmen.
Aussitzen statt therapieren
Ein Wahlversprechen hier, ein Foto mit Baby im Arm dort. Es allen Recht machen zu können ist heute so einfach. Honig ums Maul schmieren, nur nicht anecken und auf gar keinen Fall die klare Wahrheit sagen. Immer schön nebulös das eigene Wort einpacken, denn es könnte ja einmal nicht so kommen wie gedacht. Dann, wenn es nötig ist, schnell den Wendehals machen und breit grinsend in die Kamera lächeln und sagen “Das habe ich doch schon immer gesagt”. 180°-Sätze sind heute Standard, und werden mit Schulterzucken zur Kentniss genommen.
Wie kann es sein, dass wir damit zufrieden sind? Warum geben wir uns dem Abnicken so hin, obwohl unser Bauchgefühl sagt, das ist kein Schluckauf der da kommt, das ist eine chronische Magenverstimmung. Warum sind wir so faul und glauben, dass es mit Aussitzen wieder vorbeigeht? Warum handeln wir so, wie unsere Bundesregierung, nämlich indem wir nichts machen und abwarten.
1. Termin für Beginn der Therapiesitzung
Dem deutschen Volk wurde im Allgemeinen, und insbesondere von der Bundesregierung, Hypochondrie in Bezug auf Überwachungsphobien attestiert. Niemand hat(te) die Absicht eine Mauer eine Dauerüberwachung zu installieren. Wurde aber nachweislich gemacht. Zum Schutz vor was auch immer. Es gibt und gab genug Ausreden und Ausflüchte vor was wir nicht alles geschützt werden müssen. Von bösen Demokraten bis hin zu Terroristen, irgendjemand wird schon als Grund herhalten, und wenn er auch noch so an den Haaren herbeigezogen wird.
Eine Heilung von Ignoranz ist gar nicht so einfach. Es bedarf da, wie bei vielen Krankheiten auch, einer längeren Therapie. Aber eins braucht es vor allem, Mut den ersten Schritt zu machen, sich darauf einzulassen, sich einzugestehen das es eine Krankheit gibt. Zumal es in diesem Fall eine ist, die eben nicht nur eingeredet wurde, sondern gewählt wurde. Da sollte es eigentlich ein einfaches sein, über den eigenen Schatten zu springen, und sich der Therapie hinzugeben.
Die Lethargie kann am 22. September durchbrochen werden. Wenn wir unsere Angst davor überwinden einfach mal etwas zu wagen, dann können wir die Richtung ändern. Weg vom Wasserfall. Wir können nicht nur das Ruder in die Hand nehmen, sondern auch die Brücke mit Menschen besetzen, die bereit sind neue Wege zu gehen.