Piraten: Vertuschen, Abstreiten, Verdrängen (oder eben nicht)

Kopf in den Sand stecken
Kopf in den Sand stecken
Lustige Naturgeschichte oder Zoologia comica. München: Braun & Schneider 1877

Vom Irrglauben, dass die Geheimdienstaffäre ohne die Piratenpartei aufgeklärt werden kann.

Die Schule hat wieder begonnen, das kurze Sommerloch schließt sich, ein letzter Kauder wird durchs Dorf getrieben. Ja, so war der Sommer. Heißer als in den letzten Jahren war der Juli dann auch noch, zumindest von den Temperaturen her. Was aber alle die meisten doch recht kalt gelassen hat, waren die am 6. Juni 2013 durch Edward Snowden bekannt gewordenen Enthüllungen zur Totalüberwachung des Internet.

Vertuschen

Mit einem Paukenschlag ging es los. Nach Veröffentlichungen im “The Guardian” sind auch deutsche Medien auf den Zug gesprungen, und haben (mit)berichtet. Titelblätter der Magazine, Topmeldung in der Tagesschau, Brennpunkt-Sondersendung und ein Revival der Kryptopartys. Das Interesse schien riesig.

Es kam wie es kommen musste ob solch offensiver Berichterstattung und Befeuerung, die Bundesregierung sollte sich zu den Vorwürfen äußern. Hat sie dann ja auch ausführlichst, unter Vermeidung von klaren Aussagen bei erfolgreicher Zurückweisung von Unterstellungen Vermutungen.

“So geht man nicht mit Freunden um, die im Kampf gegen den Terrorismus unsere wichtigsten Partner sind.”, sagt Innenminister Hans-Peter Friedrich in der Welt am Sonntag vom 16. Juni. Dieser klägliche Versuch eines plagiierten Basta verpufft allerdings. Das Kleinreden und am liebsten durch Ignorieren aus der Welt schaffen funktionierte nicht. Es kommen immer wieder neue Enthüllungen ans Licht, und auch die Medien fangen an zu recherchieren.

Abstreiten

Seitdem erleben wir das weitere Prozedere, das gerne bei Enthüllungen genutzt wird. „Eine millionenfache monatliche Weitergabe von Daten aus Deutschland an die NSA durch den BND findet nicht statt.“, sagte BND-Präsident Gerhard Schindler am 21. Juli. Kanzleramtschef Ronald Pofalla, die Schnittstelle der Bundesregierung zum Geheimdienst, gibt am 25. Juli an, es habe nur zwei weitergeleitete Datensätze gegeben, “in denen es um einen bereits seit geraumer Zeit entführten Deutschen gehe.” [Inzwischen ist belegt, dass beide bisher vorsätzlich gelogen nicht die ganze Wahrheit gesagt haben.]

Diese Salamitaktik nur das nötigste (wenn überhaupt) zu bestätigen geht auf. In den Sondersitzungen (es gab glaube sogar nur eine am 17. Juli) des Innenausschusses, brachte der zuständige Minister nichts Neues. Nicht einmal ein “könnte zutreffen”, oder “möglicherweise gibt es Hinweise auf Weitergabe” wurde verlautbart. Drumherumreden und ja nicht bestätigen, so wie es die Kanzlerin auch gerne macht, etwa in ihrem Sommerinterview.

Schuldzuweisen

Spätestens nach Angela Merkels Bundespressekonferenz vor Ihrem Urlaub am 19. Juli wurde klar, es wird einen Shitstorm geben. Sie hatte versäumt, nach nunmehr über einem Monat, ganz klar gewonnene Erkenntnisse und deutliche Stellungnahmen abzugeben. Schon am selben Tag hat daher Bert Knoop (Pirat aus Hessen) Anzeige wegen Landesverrats gestellt. Auch die Grünen wurden so langsam sauer ob der Nichtaufklärung, scheinbar zumindest.

Denn wie immer bei Affären, zuletzt bei de Maizière und dem Euro-Hawk, ist es daher nun an der Zeit jemanden zu finden, der Schuld ist. Rot/Grün wirft der aktuellen Regierung stille oder sogar aktive Zuarbeit von Geheimdienstdaten vor. Die derzeitige schwarz/gelbe-Bundesregierung erklärt hingegen, es habe seinen Ursprung in der Regierungszeit vor 2005 gegeben. Verträge seien mit Frank-Walter Steinmeier unter Gerhard Schröder beschlossen worden, man halte sich nur daran.

Es gibt Blogbeiträge, Pressestatements, Interviews und vielerlei Mitteilungen, in denen “Schuld” möglichst weit weggeschoben wird. Nur nicht an die eigene Nase fassen und zu Fehlern stehen, es ist ja ein Sommerloch Wahlkampf.

Verdrängen

Nach dem Wahlkampf und der abschließenden Bundestagswahl am 22. September, werden wir dann etwas ganz neues noch nie da gewesenes erleben – gnadenlose Aufklärung andere politische Themen auf der Agenda, die viel wichtiger sind.

Sogar so viel wichtiger als das Supergrundrecht, das Innenminister Friedrich gefunden hat. Eine neue Regierung muss gebildet werden, die Euro-Krise ist auch noch nicht gemeistert, zum Herbst / Winter steigen die Arbeitslosenzahlen wieder, und die Affäre gerät nach und nach in gewollte Vergessenheit. Wir wären dann wieder bei dem ersten Punkt, dem vertuschen.

Und was ist mit dem

Aufklären

der rechtlich nicht abgesicherten Ermächtigung der Geheimdienstmachenschaften? Bei einer gleichbleibenden parteilichen Zusammenstellung des nächsten Bundestages in Deutschland wird die Aufklärung gleich Null sein.

Ein “echter” Untersuchungsausschuss ist bisher (scheinbar) nicht angedacht. Es wird, je nachdem wer die nächste Regierung stellt, von einer Oppositionspartei eine Anfrage an die Bundesregierung geben. Die Antwort wird unterm Strich ähnlich sein, wie die Antwort der Briten auf eine Anfrage des Innenminsteriums vom 24. Juni: „Wie Sie ja wissen, nehmen britische Regierungen grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten.“ Tausche britische durch deutsche.

Die erforderliche Aufklärung könnte es geben, wenn die Piratenpartei in den Bundestag einzieht.

Keine der dort zur Zeit vertretenen Parteien hat ein berechtigtes Interesse daran, diese Affäre schnell, transparent und vor allem umfassend aufzuklären. Die Piraten sind die einzigen, die unabhängig genug sind diese Geschichte nicht im Sand verlaufen zu lassen. Ähnlich wie in Berlin für den neuen Großflughafen, werden Piraten Wege finden, offen und zusammen mit der Bevölkerung die Missstände und Ungereimtheiten aufzuklären.

Nur durch Piraten im Bundestag können wir für eine Neuordnung, Kontrolle und Sanktionierung der Geheimdienste in Deutschland, und Ihrer Verbindungen zu anderen Dienste, erhalten. Auch auf Europaebene und international können Piraten gegen das Ausspähen unseres Lebens vorgehen, aber eben nur, wenn sie im Bundestag sind.

22. September 2013 – Piratenpartei wählen