Es herscht kein Krieg, sondern Angst in dieser Partei!

Angst Terror Versteckt Hände Schande
Angst Terror Versteckt Hände Schande

“In dieser Partei herrscht Krieg.”, hatte Dennis Plagge bei seiner Vorstellungsrede am 30. November 2013 in Bremen in das Mikrofon geschrien. Ein Krieg zwischen Interessengruppen und vor allem Personen, die insbesondere menschen- und parteischädigende Ziele haben würden.
Seit dem letzten Bundesparteitag ist viel Zeit vergangen, nicht ohne sehr viele Geschehnisse seit dem besagten Wochenende in Bremen. Geschehnisse die dem Wohl, Ansehen und vor allem dem Zusammenhalt der Partei auf Bundesebene absolut kontraproduktiv gegenüberstanden, und auch immer noch stehen.
Im Zuge dieser Ereignisse verlassen Menschen, die seit Jahren aktiv und engagiert dabei sind, die Partei. Im Zuge der Entwicklungen seit Bremen hat die politische Diskussion und programmatische Entwicklung zumindestens in Niedersachsen einen Tiefpunkt erreicht, den Tiefpunkt des Nichts-passieren. Im Zuge dieser letzten wenigen Monate schafft es die Piratenpartei nicht mehr inner- wie außerparteilich eine geschlossene Wahrnehmung, geschweige denn positive Zielsetzung, zu vermitteln.
Zu allem Überfluss hat sich allerdings etwas viel schlimmeres als scheinbare Resignation über die Partei gelegt, die Macht der Angst.
Diese Ohnmacht der Angst geht sogar soweit, dass sich der (kommisarische) Bundesvorstand verbarrikadiert. Ein Vorstand der sich nicht mehr in der Lage sieht öffentliche Sitzungen abzuhalten nur noch schriftlich auf das wesentliche kommuniziert, da er dauernden Angriffen ausgesetzt ist. Der aus Angst die Abkehr von einem Grundprinzip der Piratenpartei vollzieht, das Gebot der Transparenz selbst nicht mehr aufrecht halten will.
Das ist aber nur die bisherige mit voller Wucht sichtbare Spitze einer Angstspirale der letzten Wochen und Monate. Einzelne Piraten und Gruppen haben sich widerholt verbalen Attacken, Beschimpfungen und Verleumdungen ausgesetzt gesehen. Kein Wunder, dass einige davon die Segel streichen und austreten, andere zusehends verstummen.
Wo ist die Partei hin, die sich für freie Meinung und Akzeptanz der gesitteten Diskussion einsetzt? Wo ist die Piratenpartei, die alle Entscheidungen transparent nachvollziehbar öffentlich bespricht? Wo ist die Toleranz von Mitgliedern anderen gegenüber, die nicht ihrer eigenen Meinung entsprechen? Wo ist der Wille wieder politische Teilhabe leben zu wollen? Wo ist die Vision der Piratenpartei im Jahr 2014ff, und wie sieht diese aus?
Wir Piraten sind angetreten für Freiheit statt Angst. Diese Freiheit nehmen wir uns inzwischen zusehends auch Innerparteilich.
Das derzeitige Handeln gemäß “Angst essen Seele auf” lähmt die Partei auf Monate wenn nicht Jahre hinaus. Es wird nicht helfen hier den schwarzen Peter weiter zu schieben und einzelnen Personen die alleinigen Schuld zu geben. Es ist oft genug die Chance der Milderung und Verbesserung verstrichen, ohne aktives Handeln, bedingt durch der “Angst vor der Angst”.
Es wird Zeit zu unseren Ängsten zu stehen, und vor allem den Ängstlichen beizustehen. Wenn wir nicht in Parlamente einziehen und sogar Sitze und Mandate verlieren, dann ist das sicherlich bedauerlich. Aber wollen wir dafür von unserem sozialen humanitären Verständnis weiter abweichen? Wohl kaum.
Lasst uns wieder die Partei sein, die mit Idealismus, Ideen und der Vision einer freiheitlichen Gesellschaft Politik gestalten will. Lasst uns wieder Politik und nicht überbordende Bürokratie vorleben. Wieder mit Mut und Verstand, und nicht Kopf-In-Den-Sand Gehabe agieren. Wieder weg aus der Denke von Schubladen über politische Systeme.
Wir sind die Piratenpartei, wir sind die Gestalter unserer eigenen Zukunft, in der wir leben wollen. Ich will nicht in einer Gesellschaft der Angst und Unterdrückung leben. Ich Pirat geworden, um die Ängste von anderen zu nehmen, aber nicht mich Ängsten zu unterwerfen.
Und du? Bist du Pirat oder etabliert?

1 Response

  1. Angst kommt selten von ungefähr.
    Zuerst sollte betrachtet werden, wie es um die Seelenlage der Piraten insgesamt bestellt war, bevor es die Piratenpartei überhaupt gab.
    Eine der Wurzeln unserer Partei waren die Demonstration gegen staatliche Überwachung, bezeichnenderweise unter dem Motto “Freiheit statt Angst”.
    Angst könnte also sehr wahrscheinlich eines der Motive zur Gründung der Piratenpartei gewesen sein; ganz abwegig erscheint das jedenfalls nicht.
    Auch die weitere Geschichte unserer Partei zeigt zumindest Furchtsamkeit.
    Kaum waren wir im Zentrum des Medieninteresses, waren wir eifrig darum bemüht, alles “richtig zu machen.”
    Symptomatisch war hierbei die Bestrebung ein tragfähiges Vollprogramm zu erarbeiten, einer der schwersten strategischen Fehler, die wir bislang gemacht haben.
    Fehlerhaft, weil wir das nicht von uns aus so beschlossen haben, sondern weil es von aussen ständig an uns heran getragen wurde.
    Das kann man durchaus als Unsicherheit, mithin auch eine Form von Angst, in diesem Fall Versagensangst, bezeichnen.
    Mutig waren und sind bis heute die Piraten sehr oft nur, wenn sie in grossen Gruppen zusammen sind oder aus der Anonymität des Netzes heraus agieren können.
    Eine der größten Ängste scheint hier auch die Angst vor der Verantwortung zu sein, genauer die Sorge, einen Fehler zu machen.
    Das ist ja auch nicht ganz unbegründet. Jeder noch so kleine Fehltritt eines in irgend einer Weise exponierten Piraten wird sofort ebenso gnadenloser wie massiver Kritik unterworfen, teilweise deutlich jenseits aller Regeln menschlichen Anstandes.
    So züchten wir uns eine Kaste von Duckmäusern oder begabten Blendern heran; ersatzweise bilden sich geheime Seilschaften, die “ihre” Kandidaten vehement verteidigen, selber wenn diese sich als völlig unfähig erwiesen haben.
    Viele Piraten haben sich deshalb sehr lange bedeckt gehalten, es ist ja auch nicht jedermanns Sache, einen Shitstorm nach dem anderen abzureiten.
    Hinzu kommt das manchmal an Paranoia grenzende Misstrauen der Piraten gegenüber Funktions- oder Mandatsträgern.
    In einem solchen Klima der Angst und der Missgunst gedeihen im Verborgenen die seltsamsten Gewächse.
    Wir haben parteiweit informelle Kreise, die nach einem ungeschriebenen Codex funktionieren, und die – allen treuherzigen Beteuerung von Transparenz und Basisdemokratie – die eigentlichen Machtzirkel in der Piratenpartei bilden.
    All das hat uns unsere “Unschuld” gekostet, ohne das wir wirklich etwas davon gehabt hätten.
    Wir haben es tatsächlich geschafft uns selber brutal zu vergewaltigen und stehen jetzt vor den Trümmern einer glorreichen Idee, die vorerst schlichtweg gescheitert ist.
    Sehr viele Piraten haben starke emotionale Bindungen zur Partei, der Begriff “Herzblut” trifft das nur zum Teil.
    So erklären sich auch die ebenso tiefen Gefühle der Enttäuschung und der Sinnlosigkeit des eigenen Engagements bei vielen Piraten.
    Die oben erwähnte Zustände haben auch bei dem politischen Personal einen ganz bestimmten Menschentyp angezogen; wir haben zahlreiche gewohnheitsmässige Lügner und eiskalte Machtstrategen in Ämtern und Mandaten, die dafür weder fachlich noch menschlich auch nur annähernd qualifiziert sind.
    Piraten wählen nämlich gerne die Leute, die sie für am wenigsten gefährlich halten; leider sind das mittlerweile lediglich die Abgebrühtesten.
    Das hochgeliebte “Approval Voting” ist hierbei ein Ausdruck des Wunsches, anonym im Schwarm untertauchen zu können. Man wählt in Zweifelsfall alle Kandidaten, um vor sich selbst die Hände in Unschuld waschen zu können.
    Als Fazit kann man also ziehen: die Piraten sind eine feige Bande von Angsthasen.
    Stellt sich nun die Frage, wie gehen wir mit diesen Erkenntnissen um ?
    Natürlich brauchen wir eine völlig veränderte Kultur, vor allem eine faire Debattenkultur in unserer Partei.
    Das werden wir aber nicht mit Satzungsgeboten oder Vorstandsbeschlüsse hinbekommen, sondern möglicherweise nur, wenn wir endlich unsere Partei vom Kopf auf die Füße stellen.
    Andere Parteien sind Pyramiden, bei denen oben die Führung entscheidet und die Basis diese Befehle auszuführen hat.
    Die Parteigesetzgebung und damit die gesamte politische Kultur in Deutschland ist ausschliesslich genau auf dieses Herrschaftsmodell ausgerichtet.
    Deshalb ist auch der Gedanke der Basisdemokratie so überaus wichtig in unserer Partei. Leider hat unser fast krankhafter Perfektionismus und unsere Technikverliebtheit uns bisher davon abgehalten, diese fundamentale Voraussetzung für eine tatsächlich andere Politik überhaupt erst einmal zu installieren.
    Der andere Kerngedanke, nämlich der der Transparenz, war immer eine Fata Morgana. Unsere zahlreichen Informationssysteme sind mittlerweile in Desinformationsanstalten degeneriert, “ich habe das ins Wiki gestellt” ist mittlerweile ein geflügeltes Wort in der Partei geworden, als Analogie für das oft auch gezielte Verstecken von Informationen.
    Auch die zahlreichen unausgesprochenen Gebote und gewachsenen Tabus in der Partei gehören schlichtweg auf den Müllhaufen.
    Also, was tun ?
    Erstmal müssen wir die absehbaren Wahlschlappen des Jahres wegstecken.
    Bis zur Neuwahl des Bundesvorstandes ist auch nicht absehbar, ob die mannigfaltigen Konflikte beigelegt werden können; aber selbst mit einem neuen Bundesvorstand werden diese Probleme nicht gelöst werden können.
    Wahrscheinlich müssen wir erst einmal wieder aus allen Landesparlament rausfliegen um unsere Lektion vollständig zu lernen.
    Wir haben aber eine sehr gute Möglichkeit, unsere Probleme selbst zu lösen.
    Indem wir uns auf die Arbeit vor Ort konzentrieren, also kommunale Politik machen, uns vernetzen und tragfähige Strukturen aufbauen, überall dort, wo wir schon sind und vor allem dort, wo wir noch nicht sind.
    Es liegt aber auch an uns Piraten, in Zukunft unsere Vorstände, seien es nun Kreis- oder Landesvorstände mit Leuten zu besetzen, die den anstehenden Aufgaben auch wirklich gewachsen sind.
    Wir brauchen Mandatsträger die tatsächlich konsequent die Politik machen, für die wir sie aufgestellt und gewählt haben.
    Wir brauchen also, in Umkehrung einer weiteren “heiligen Kuh”, durchaus auch “Köpfe statt Themen”.
    Was wir aber vor allem brauchen, ist die Fähigkeit, unsere Unfähigkeit zu erkennen, einzugestehen und daran zu arbeiten.
    [Update: Edit von Fehlern auf Wunsch des Erstellers]